Der Kampf um die individuelle Freiheit

Individuelle Freiheit und Demokratie sind nicht der natürliche Zustand der menschlichen Gesellschaft. Mit Ausnahme vielleicht einiger Stämme an einigen abgelegenen Orten war die Herrschaft der Wenigen über die Vielen der die normale Form des menschlichen Zusammenlebens. Es gibt immer stärkere, schnellere oder intelligentere Menschen, welche mit der Zeit mehr Einfluss gewinnen. Daher ist eine bewusste Anstrengung nötig, um eine Art Gleichgewicht von Macht und Freiheit herbeizuführen bzw. aufrechtzuerhalten. Fehlt diese Anstrengung, sind individuelle Freiheit und Demokratie bedroht. Wie R. Reagan es ausdrückte: „Die Freiheit ist nie mehr als eine Generation vom Aussterben entfernt“. 

Über Jahrtausende hinweg hatten individuelle Identität und Freiheit kaum Bedeutung gegenüber der Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Diese war wichtig für das Überleben der Gruppe wie auch des Individuums. Zugleich erfüllte sie ein tiefes menschliches Bedürfnis nach Geborgenheit, Sicherheit und nach einer sinnvollen Existenz. Die Definition des Menschen als selbstverantwortliches Individuum durch die Aufklärung eröffnete dann aber eine neue Perspektive auf das Potenzial und den Schöpfergeist der menschlichen Natur, die zu der unglaublichen Entwicklung im Westen führte.

In den letzten 100 Jahren erlebten wir eine zunehmende Auflösung von sozialen Strukturen und parallel dazu eine extreme Zunahme an persönlichen Wahlmöglichkeiten. In diesem Umfeld hat die Freiheit gegenüber den immer mehr unbefriedigten Bedürfnissen nach Heimat/Zugehörigkeit und nach Sinn im Leben an Bedeutung verloren. Als Reaktion darauf sehen wir ein Aufkommen von Ideologien und Glaubenssystemen, die solche Bedürfnisse abzudecken scheinen. Diese Ideologien koexistieren aber fast nie mit der Freiheit des Individuums. Der erste Beitrag in dieser Serie beginnt mit der Diskussion dieses Phänomens.

Menschen entwickeln sich aufgrund ihrer Gehirngröße langsam. Sie können nur überleben, wenn sie nach der Geburt eine lange Zeit versorgt werden. Dies wird durch ein genetisch eingepflanztes Bedürfnis nach Bindung sichergestellt. Dieses Bedürfnis ist so grundlegend, dass wir fast alles tun, um es auf die eine oder andere Weise zu befriedigen.

Dieser Blog ist nicht der richtige Ort, um sich in die Psychologie der kindlichen Entwicklung zu vertiefen. Er wird sich auf die Aspekte der menschlichen Kultur konzentrieren, die für die Befriedigung dieses Bedürfnisses zentral sind. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, auf welche Weise eine Kultur uns ein Gefühl der Zugehörigkeit ermöglicht und erlaubt, ein sinnvolles Leben zu gestalten.

Unsere westliche Gesellschaft (um die es in diesem Blog geht) bot uns immer eine Reihe von Möglichkeiten, „dazuzugehören“. Wir fühlten uns in der Familie oder darüber hinaus in einer Sippe oder einem Dorf zu Hause. Wir gehörten zu einer religiösen Gruppe mit einem gemeinsamen Weltbild. Wir identifizierten uns als Mitglied einer Nation und waren bereit, sie mit unserem Blut zu verteidigen. Wir teilten Werte und Vorstellungen über wichtige Aspekte des Lebens wie Arbeit, Sex, unsere Rolle in der Gesellschaft, die Bedeutung von Fakten und Wissenschaft, den Wert des Lebens, die Funktion einer Regierung usw. Diese gemeinsamen Werte und Ideen gaben uns Koordinaten, entlang derer wir ein sinnvolles Leben definieren konnten.

Wenn wir uns die Entwicklung unserer westlichen Gesellschaft in den letzten 50 Jahren anschauen, können wir feststellen, dass wir dabei sind, viele der Strukturen und Werte zu verlieren, die uns miteinander verbunden haben. Es ist ziemlich offensichtlich, dass diese Entwicklung nicht nur ein Zeichen für eine alternde Wohlstandsgesellschaft ist. Diese Entwicklung wird aktiv gefördert. Die USA und England sind dabei deutlich voraus – der Rest des Westens folgt nach.

Universitäten indoktrinieren ihre Studenten mit dem postmodernen Relativismus bezgl. Religion, Wissenschaft, westliche Werte, Geschichte usw. Medien, Politiker und Unternehmen betonen immer mehr die Zugehörigkeit zur Gruppe (bspw. nach Hautfarbe, Geschlecht) als entscheidender denn die individuelle Identität – unter dem Stichwort „Diversity and Inclusion“. Menschen mit einem konservativen Glauben an Gott oder an familiäre Werte werden immer wieder von Politikern und von Hollywood verhöhnt oder sogar als Rassisten beschimpft. Das biologische Geschlecht wird als Grundlage für die Identität untergraben. Fakten werden mehr und mehr durch Narrative ersetzt und verlieren ihren Wert als Orientierungsquelle. Die Beziehung von Mensch zu Mensch wird durch Facebook, Twitter und Co. verdrängt. Die nationale Identität wird durch Verdrehung der nationalen Geschichte und durch Zerstörung der gemeinsamen Mythen untergraben. Die Familienstruktur wird durch die aktive Förderung alternativer Lebensformen an den Rand gedrängt. Abtreibung bis zum Zeitpunkt der Geburt wird im Namen der Freiheit für die „Menschen mit Gebärmutter“ befürwortet (in demokratischen Bundesstaaten der USA). Mitgefühl, einst ein wichtiger Aspekt der Verbindung mit Benachteiligten, hat sich in einen Opferkult verwandelt. Die Spaltung innerhalb unserer Gesellschaften ist so weit fortgeschritten, dass wir uns oft kaum noch als Teil derselben Gemeinschaft fühlen.

Die Strukturen und Werte, die uns einen sinnvollen Lebenszusammenhang und ein Gefühl von Zugehörigkeit gaben, werden aktiv diskreditiert und untergraben. Entsprechend vermissen immer mehr Menschen eine erfüllende Einbindung in ein soziales Gefüge und einen Anker in Form eines stabilen Wertesystems.

Das Bedürfnis nach Bindung ist jedoch nicht verschwunden. Wie Hannah Arendt und andere festgestellt haben, sind entwurzelte Individuen leicht verführ- und manipulierbar. Die Atomisierung einer Gesellschaft verringert ihre Widerstandskraft gegen totalitäre Tendenzen.

Wir können die Folgen sehen. Eindimensionale Ideologien wie Marxismus und kritische Rassentheorie sowie totalitäre Glaubenssysteme wie „social justice“ ersetzen die Werte, die den Westen so erfolgreich gemacht haben. Der Klimawandel ist zur Speerspitze einer grünen Religion geworden, die Sünde als Handeln gegen die Interessen einer verdrehten Vorstellung von Natur neu definiert. Sie alle behaupten, für das „Gute“ zu kämpfen. Und wirklich, wer kann schon gegen Gerechtigkeit, gegen den Schutz der Umwelt, gegen „black lives matter“ argumentieren? Solche Standpunkte suggerieren moralische Überlegenheit und versprechen Lebens-Sinn sowie Beheimatung bei den Guten und Gerechten. Individuen zu verführen, die nach einem erfüllenden Sinn in ihrem Leben suchen, ist auf dieser Grundlage einfach. Solche Individuen gibt es offenbar viele. Der Zerfall wichtiger Pfeiler des westlichen Gesellschaftsgefüges ist ja auch schon lange im Gange.

Das Problem wird deutlich, wenn man hinter die schönen Worte schaut. Alle diese Ideologien stellen sich gegen die Werte und Institutionen, welche wir von der Aufklärung geerbt haben. Diese haben offensichtlich mehr an Freiheit, Würde und Wohlstand für das Individuum ermöglicht als jede alternative Kultur. Alle diese Ideologien leugnen diese Errungenschaften aber rundheraus. Stattdessen behaupten sie, dass alle realen und viele erfundene resp. eingebildete Unzulänglichkeiten der (westlichen) Welt auf genau diese Werte und Institutionen zurückzuführen seien.

Ihre anklagende pseudo-moralische Überlegenheit bildet die Basis, von welcher aus sie volles Engagement für ihren Kampf gegen die „Verbrechen“ der westlichen Kultur verlangen.

Das sichtbarste Ergebnis: Die Gedanken- und Meinungsfreiheit wird negiert. Öffentlich Meinungen äussern oder gar Fakten bzw. Daten zitieren, die diese Ideologien in Frage stellen, ist nicht mehr akzeptiert. Wer das wagt, wird persönlich attackiert. Sei es die globale Erwärmung (1,2,3), seien es Einwanderer, „Trans“ oder ein anderes Thema, welches die Ideologen vereinnahmt haben: Wer sich mit der falschen Position „outet“, wird als Person verunglimpft und läuft sogar Gefahr den Job zu verlieren.

Wer Meinungen (1,2) oder Daten veröffentlicht, welche bspw. das Narrativ der kritischen Rassentheorie (1,2) oder die Notwendigkeit, Masken gegen Covid zu tragen, in Frage stellt, hat negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Du wirst von wissenschaftlichen Konferenzen ausgeladen und/oder deine Publikationen werden von den Tech-Giganten gelöscht. 

Es gibt tausende von Beispielen. Das Erschreckende ist, wie viele „normale“ Menschen sich an diesem bösen Spiel beteiligen und damit unsere von den Vorfahren erkämpfte individuelle Freiheit bedenkenlos aufs Spiel setzen. Das Gefühl moralischer Überlegenheit scheint eine sehr verlockende Krücke zu sein, einen Sinn im Leben zu finden. Sie erlaubt sogar mit gutem Gewissen den Hass auf die „bösen“ Anderen auszuleben – was für eine wunderbare Position!

Es überrascht nicht, dass die Verführbarkeit durch eindimensionale Ideologien bei Intellektuellen, in der oberen weißen Mittelschicht und in den städtischen Gebieten am grössten ist. In diesen Gesellschaftsschichten haben das traditionelle soziale Gefüge und die damit verbundenen Werte seit langem an Bedeutung verloren. Das Bedürfnis nach Bindung, nach Zugehörigkeit und nach einem Sinn im Leben ist aber noch immer da.

Die perversen Folgen dieser Ideologien werden offensichtlich, wenn wir uns Fakten und Daten (für diejenigen, welche diese noch immer für wichtig halten) anstelle der Narrative ansehen. Zur Lösung der „Klimaproblematik“ produziert die Politik Phantasiewelten von Netto-Null-Emissionen. Den Minderheiten, für welche die kritische Rassentheorie einzutreten behauptet, geht es dort, wo sie die Politik bestimmt, schlechter statt besser. Die Covid-Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung haben vor allem den Grossen und Reichen genützt und den Kleinen und Benachteiligten geschadet. Weitere Beiträge werden sich mit solchen Beispielen befassen.

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